Caroline Charlotte Kaiser, KulturAXE

Erschienen in: Hofstetter Kurt
Einen Augenblick Zeit – Parallaxe, Edition Selene, Wien, 2004

Sich einen Augenblick Zeit zu nehmen über „Einen Augenblick Zeit”, der Medienkunstinstallation von Hofstetter Kurt an einem Wiener Bahnhof zu reflektieren, katapultiert die eigene Denkmaschinerie zu schier überschäumender Aktivität, in der die Wellen gelebter oder sonst wie zugetragener Information aus allerorts sprießenden philosophischen und vordenkerischen Quellen zur tosenden Brandung mutiert, mit der Vorgabe die vielen irrwitzig an den Strand geschlagenen Meereszungen zu einer Essenz zu verquicken, die sich Moment nennt, also bei fortschreitender Überlegung das Lebens selbst zu einem Moment bündeln, denn da ist im Hinterkopf das Bild der am Bahnhof befindlichen Medienskulptur, die mit fast ironischem Augenzwinkern die mehrschichtigen komplexen Themen unserer Zeit in sich birgt, die ich der Einfachheit halber mit Schlagwörtern aus Paul Virilio’s Gedankengut umreißen möchte, passender weise aus seinem Aufsatz „Achtung Augen auf”, wie die Industrialisierung unseres Sehens, Geschwindigkeit und Beschleunigung, der mensch ausgesetzt ist in unserem hypertechnokratischem Digitalzeitalter, „in dem wir dem Versuch einer Automatisierung der sinnlichen Wahrnehmung der Welt gegenüber stehen”. Oder wie der wie der Videast Gary Hill erklärt: „Das Sehen ist nicht mehr die Möglichkeit zu sehen, sondern die Unmöglichkeit, nicht zu sehen.“

Es ließe sich noch herumschweifen in Begrifflichkeiten wie Klee’s Wahrnehmungstheorie des „thinking eye”, Virilio’s „vision machine”, den Behauptungen, dass Realzeit den Realraum überlagert hat, Globalisierung Lichtgeschwindigkeit sei und sonst nichts, dem schönen Bild, dass visuelle Eindrücke „body-shots” sind, und der atomaren Geschwindigkeit, mit der sich Bilder auf unserer Netzhaut materialisieren, oder wie sich durch die „Echtzeit“-Kommunikation in weltumspannenden Datennetz der philosophische Horizont des Menschen verschiebt.

All das führt zwangsläufig zur Schlussfolgerung, dass das Unterfangen „Synthese Moment” kein leichtes ist, und so könnte man sich auch der naheliegenden Versuchung hingeben, wie im umgänglichen Sprachgebrauch gerne und häufig angewendet, „Einen Augenblick Zeit” einfach zu nutzen in dieser besten aller Welten für einen schnellen Kaffee, eine Zigarette, oder in den Himmel zu schauen – wobei wir mit dem letzteren auch wieder bei einem Spezialgebiet von Hofstetter Kurt wären.

Literaturhinweise:

  • Yukio Mishima: „The Sea of Fertility”
  • Paul Virilio: „The Politics of ‚Real Time’”
  • Paul Virilio: „Achtung. Augen auf!“ (Hg.ZKM Karlsruhe)
  • Paul Virilio und Friedrich Kittler im Gespräch. „Die Informationsbombe” (ARTE, Nov 95)

 

Stano Buban, Hasta La Muerte