CROSS OVER, Polen,
im Gespräch mit Eberhard Falcke
Pawel Mendrek, Malgorzata Szandala und Ewa Zasada
Eberhard Falcke: Was ist Cross Over?
Malgorzata Szandala: Wir waren eine Gruppe von Freunden, wir haben zuweilen kooperiert und schließlich beschlossen wir, aus unserer Gruppe eine Art von Assoziation zu machen. Unserere Aktivitäten basieren auf Zusammenarbeit, gegenseitiger Hilfe und auf der Organisation von Ausstellungen und Veranstaltungen, bei denen wir unter anderem unsere Arbeit vorstellen.
Pawel Mendrek: Es gibt verschiedene Projekte. Wir haben ein Kunstfestival organisiert, bei dem wir andere Künstler eingeladen haben, an unserer Initiative teilzunehmen. Oder wir entwickeln ein Konzept, aus dem dann eine Ausstellung werden kann. Die Art der Zusammenarbeit ist völlig offen.
Malgorzata Szandala: Am Anfang wurde uns von einer Stiftung ein Haus zur Verfügung gestellt. Dort haben eine Galerie eingerichtet, jeden Monat gab es Veranstaltungen, Ausstellungen, Konzerte, Vorträge, Workshops.
Habt ihr verkauft?
Pawel Mendrek: Nein, in Polen ist das sehr schwierig. Aber das Konzept der Galerie war nicht kommerziell. Das war Non-Profit. Wir nahmen kein Geld ein, wir konnten uns aber um finanzielle Unterstützung bemühen. Viele unserer Veranstaltungen sind Festivals, da geht es um Kunst, die sich ohnehin nicht zum Verkauf eignet, um Installationen und Konzeptkunst usw. Jeder von uns malt auch Bilder, aber die wurden dort nie ausgestellt.
Ihr habt also eine unabhängigen Plattform für Kunst gegründet?
Ewa Zasada: Die erste Ausstellung in dieser Galerie hatte den Titel „Non Profit“.
Pawel Mendrek: Das war ein Statement, bezogen auf alle Aktivitäten.
Ihr seid hier als Künstler und leitet einen Workshop. Kann man sagen, dass ihr zugleich als Vertreter von Cross Over mit der KulturAXE in Kooperation steht?
Malgorzata Szandala: Das ist richtig. Letztes Mal als wir vor zwei Monaten ein Festival of Art organisierten war die KulturAXE unser Partner. Seitdem ist es offensichtlich, dass wir kooperieren.
Tatsächlich aber sitze ich nicht einer Künstlergruppe gegenüber, sondern zwei Künstlerinnen und einem Künstler, die eben manchmal zusammenarbeiten.
Pawel Mendrek: Es gibt Projekte, bei denen wir zusammenarbeiten, aber jeder von uns verfolgt auch seine eigenen Aktiviäten.
Was ich von Eurer Arbeit hier gesehen habe, war vornehmlich Video. Was sind die Techniken, die ihr sonst benutzt? Von welchen Disziplinen kommt ihr her?
Ewa Zasada: Für mich stehen Installationen im Mittelpunkt. Das ist die Sprache, die ich am liebsten benutze. Da ist der Raum sehr wichtig, die Frage, wie man ihn einsetzt, wie man die Leute einbezieht, welche Ausstrahlung ein Ort besitzt. In der letzten Zeit habe ich auch begonnen mit Pawel Video zu machen. Doch der Raum und das Zusammenspiel mit Menschen ist für mich das Wichtigste.
Hast du bei deinen Installationen stoffliche Materialien benutzt oder auch Videotechniken?
Ewa Zasada: Nein, kein Video. Mich interessiert es besonders, ganz verschiedene Gegenstände miteinander zu konfrontieren, um zu sehen, was aus den unterschiedlichen Bedeutungen entsteht. Ich setze völlig verschiedene Dinge nebeneinander, um die verschiedenen Bedeutungen auszuloten, zum Beispiel Gummibärchen und Kohle und eine Schaukel, wie in einer meiner Installationen. Aber ich bin auch Malerin. Doch was mich hier beschäftigt, in dieser Seenlandschaft, in der wir an Bildschirmen arbeiten, das ist die Erfahrung, dass es so viel schneller geht, das Video einzuschalten, das Fernsehen, um die Landschaft anzusehen, anstatt selbst hineinzugehen. Was ist die wirkliche Wirklichkeit für mich? Ich sehe TV, arbeite mit dem Computer – mit dieser Erfahrung setze ich mich im Moment auseinander. Auch mit den dazugehörigen Geräuschen um uns herum – nicht dem Singen der Vögel! -, sondern den elektronischen Geräuschen der Computer oder dieses Tonband-geräts zum Beispiel.
Malgorzata Szandala: Ich betrachte mich als Malerin. Ich habe eine Ausbildung in graphischer Kunst. Da gibt es den Prozess, Objekte zu schaffen und eine bestimmte Realität zu beschreiben. Die Sprache der Malerei, das ist ein Bestand von Zeichen, die man auf eine definierte Weise benutzt. Das hängt damit zusammen, wie wir die Wirklich-keit sehen und sie in die Sprache der Malerei übertragen. Diesen Moment will ich einfangen, wenn das passiert. Das andere ist die Frage, wie wir die Dinge wahrnehmen, die wir sehen. Da geht es auch darum, die Dinge aus ihrem normalen Kontext herauszuheben und ihnen neue Bedeutungen zu verleihen. Das kann auch in Form einer Installation geschehen, wie ich sie hier mit Fundstücken aus der Festung gemacht habe. Ich habe sie mit Schildern und Namen versehen. Doch das ließe sich auch in Form eines Gemäldes machen.
Wo liegt der Unterschied, wenn du dasselbe Thema als Installation oder als Gemälde formulierst?
Malgorzata Szandala: Es ist dasselbe. Gut, die Sprache ist verschieden, aber das Ziel, den Dingen eine Bedeutung zu geben, wird auf beiden Wegen erreicht.
Pawel Mendrek: Ich komme ebenfalls von der Malerei. In der Hauptsache bin ich Maler. Wenn es jedoch darum geht, ein bestimmtes Environment, ein Umfeld für ein Bild zu schaffen, dann gibt es starke Verbindungen zum Video. Darum habe ich in der letzten Zeit vorwiegend mit Video gearbeitet. Hier ist das unsere gemeinsame Ausdrucksform. So können wir mit Ewa zusammenarbeiten. Das ginge nicht, wenn wir auf unsere Ge-meinsamkeiten beim Malen angewiesen wären. Dieser Zusammenhang ist ganz klar: Es ist eine Art von Video-Painting. Es geht vor allem um das Erspüren von Geräuschen, von Strukturen. Das hat den Vorteil, dass wir da kooperieren können. Auf der anderen Seite bin ich Maler, ich stütze mich auf Formen die meistens auf Realität basieren. Doch die Realität ist nicht unmittelbar präsent, es ist weniger ein Porträt der Oberfläche als des Inneren. Trotzdem bleibt das immer stark verbunden mit der Realität. Es ist eine Interaktion mit den Vorgängen des Lebens.
Für andere Künstler, besonders für ältere, ist das Material, mit dem sie arbeiten von ungeheurer Wichtigkeit für ihr ästhetisches Bewusstsein. Da gibt es oft fast einen Mythos des Materials oder ein nahezu mystisches Verhältnis dazu. Ihr dagegen bewegt euch mit Leichtigkeit von einem Material, von einer Technik zur anderen. Gibt es da keinen Konflikt?
Malgorzata Szandala: Wir sehen diese Vielfalt von Mitteln absolut positiv. Zuerst haben wir ein Konzept und dann suchen wir nach der Form es zu realisieren.
Pawel Mendrek: Die Mittel sind nicht so wichtig, entscheidend ist das Ergebnis. Es ist nicht wichtig ob es sich um eine Collage oder Video handelt, oder Acrylmalerei.
Ewa Zasada: Wir kommen aus einer sehr guten, traditionellen Ausbildung in Malerei, Graphik und Zeichnen. Das ist ein starker Hintergrund für uns …
Pawel Mendrek: … dem wir gar nicht entkommen können …
Ewa Zasada: …. und für uns ist es entscheidend, was sich besser zur Realisierung einer Idee eignet.
Pawel Mendrek: Für uns kommt es auf das Resultat an, das wir schließlich erhalten. Einerseits geht es in der Kunst häufig ums Konzept, andererseits um die Ästhetik, den Umgang mit den Farben usw. Wir sehen uns – und da sind wir uns wohl einig – in der Mitte: Wir wollen sowohl den Inhalt als auch die adäquate ästhetische Form, die es den Betrachtern ermöglicht, zu verstehen, worum es geht. Wir wählen die Technik, die sich für das, was wir sagen wollen, am besten eignet. Zum Beispiel machen wir nächstes Jahr dieses Mess-Age-Projekt. Das wird die Form eines großen Brettspiels haben.
Wie groß?
Pawel Mendrek: Wenn wir es in einem ganzen Ausstellungsraum realisieren können, wird es die Größe dieses Raumes haben. Denn es kommt darauf an, dass man diesem Spiel nicht enkommen kann.
Welche Erfahrungen habt ihr dieses Jahr in Gizycko gemacht, welche Themen habt ihr bearbeitet?
Pawel Mendrek: Das Thema unseres Workshops hieß „…how far can you fly?“. Das ist ein offendes Konzept, welches Gedanken Raum geben soll, bei denen man gar nicht genau weiß, worauf sie hinauslaufen. Es ging darum, neuen Raum, neue Wege zu finden. Jede Arbeit, die wir gemacht haben, war von etwas anderem inspiriert. Wir haben ein Video gemacht, das auf Wasser, Sommer, Sonne aufbaut, sehr impressionistisch …
Ewa Zasada: In der ersten Woche war es kalt, unglaublich kalt, dann war es plötzlich, innerhalb von zwei Tagen wirklich heiß. Wir haben die verschiedenen Empfindungen, diese Übergänge eingefangen, die Impressionen, wie sich auf einmal alles verändert hat …
Pawel Mendrek: Wir wollten diese besonderen Atmosphären und die Gefühle einfangen. Das ist kein Dokument über Gizycko, sondern eher wie ein Porträt, bei dem das Innere gezeigt wird, nicht die Außenseite.
Malgorzata Szandala: Ich habe mich bei meinem Projekt – auf andere Weise – ebenfalls mit der Entdeckung des Ortes beschäftigt.
Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Kunstbetrieb in Polen gemacht?
Malgorzata Szandala: Meiner Erfahrung nach existiert der Kunstmarkt in Polen praktisch nicht. Es ist schwierig sich als Künstler zu behaupten. Es ist ein großer Erfolg, wenn es überhaupt gelingt, von der Kunst zu leben.
Ewa Zasada: Für Künstler ist die Idee das Entscheidende, nicht der Kommerz.
Pawel Mendrek: Ich lebe in Wien als Künstler. Kürzlich hatte ich eine Ausstellung in Warschau, und das ging recht gut. Es wird besser. Wir können nicht sagen, dass in Polen nichts passiert. Natürlich ist es für die Künstler härter, die sich erst einen Zugang zum Kunstbetrieb schaffen müssen. Aber ich bin optimistisch. Ich möchte mich nicht als Emigrant fühlen, ich würde gerne in Polen arbeiten. Aber im Moment ist es so, dass ich in Wien als Künstler existieren kann und in Polen nicht.