Eva Bodnar, Wien-Budapest,
im Gespräch mit Eberhard Falcke
Eva Bodnar was born 1952 in Budapest, Hungary. 1973-76 Academy of Fine Arts, Budapest; 1976-81 Academy of Fine Arts, Vienna; 1980 Academy Award Vienna: the Golden Füger Medal; 1978 Studytrip to London, New York; 1982 Art Fair Köln, Germany; 1982-83 Art Fair, Basel, Switzerland; 2002 Guest professor, painting, Academy of Fine Arts, Vienna.
Eberhard Falcke: Deine Arbeitsweise, Eva, vermittelt den Eindruck, dass es für dich zwischen Kunst und Leben eine ganz besondere Verbindung gibt. Du suchst auf sehr direktem Weg die spontane Anregung, und diese Direktheit geht auch in die Bewegung deines Malens und Zeichnens ein.
Eva Bodnar: Die Idee besteht darin, dass man lernt etwas zu zeichnen, was man sieht, direkt ohne Übersetzung, ohne Zeichenschule, ohne akademischen Werdegang. Es geht um die Methode, wie du der Hand beibringst, das zu machen, was das Auge sieht. Wenn man das oft genug an verschiedenen Objekten übt, dann kommt man selber zu der eigenen Mal-Stimme, so wie man vielleicht mit Summen anfängt und dann die eigene Gesangstimme entdeckt, die zu dir gehört. So kann man den eigenen Rhythmus auch beim Zeichnen finden. Man kommt darauf, dass man zugleich mit dem Sehen die Dinge auch schon zeichnen kann, wenn du der Regel folgst, dass du das machst, was du siehst. Man darf nicht zuviel hinschauen und überlegen und aus dem Kopf rauskitzeln. Du musst dir abgewöhnen, Vorurteile zu zeichnen. Das ist natürlich sehr interessant, denn die Striche sind viel klüger, sie sind in jeder Richtung, in jeder Regung viel besser informiert, deine Augen wissen genau auf jedem Millimeter, dass die Wangen so gehen und der Tisch so. Das ist mit nichts anderem zu verwechseln. So ergeben auch zusammenhanglose Linien bei dieser Methode Linien, die in sich klug sind. Es ist sehr interessant: Man kann solche Striche genau unterscheiden von Linien die man zum Beispiel abpaust oder von einem Foto abzeichnet. Da wird mit Linien schattiert und dergleichen, was in der Natur nie vorkommt. Meine Idee ist, dass man wirklich aus sich selbst eine Anlage bauen kann, die zeichnet. Jeder weiß, was hast du gesehen, wie hast du gesehen, und man denkt nur: Ah, du hast keine Zeit, und deswegen ist es leider nicht fertig. Aber ich bin dafür, dass man das nicht nachher fertig macht, sondern so lässt und sich trainiert, mehr und mehr auf einmal erwischen zu können. Man kann das beim Zeichnen und später auch beim Malen wahnsinnig clever anwenden. Es ist nicht egal in welcher Richtung du Dinge machst, in welcher Reihenfolge, in welcher Intensität. Und das kannst du mit diesen Übungen sehr schön lernen, du wirst strategisch und effektiv. Ich nenne diese Methode: die ungarische Abkürzung.
Ist das eine sehr schnelle Arbeitsweise?
Wenn etwas sehr schnell ist, musst du langsam arbeiten. Ein Tänzer zum Beispiel, ein spielender Hund, du darfst den Rhythmus nicht von denen übernehmen, sondern deine Langsamkeit und dein Raffinement entscheiden. Du musst eine adäquate Linie ausdenken, nein, nicht ausdenken, du musst nur den Bleistift halten und auf das Papier drücken und denken, was du siehst. Dann zeichnet die Hand das, was du siehst, du musst deine Hand frei lassen, deine Gedanken und Gefühle. Das ist eine Art Ganzkör-perzeichengedanke.
Ist das ein Training?
Es ist ein Training, aber wenn du gut bist, dann ist es auch fertig. Ich habe meine Karriere mit so einer Arbeit begonnen. Ich habe „Ben Hur“ gezeichnet, einen Vier-Stunden-Film. Ich hatte haufenweise 150 Mal 70 leere Blätter neben mir aufgetürmt und zwei Liter schwarze Ölfarbe und Pinsel. Das war ein erster Versuch, ich hatte sowas noch nie gemacht und nie davon gehört, ich wusste nur, ich muss eine Ahnung haben, wie voll ein Blatt werden soll, wie schnell ich fertig werden muss, damit ich die gleiche Effektivität vier Stunden durchhalten kann, damit es eine gewisse Einheit ergibt und nicht immer dünner und schwächer wird, sondern mit demselben Elan anfängt und fertig wird. Das konnte ich vorher nicht wissen, ich habe es mir vorgestellt und eingeschätzt und das war auch ungefähr alles richtig. Dann habe ich diese Arbeit in der Sezession in Wien ausgestellt, sie wurde von der Generali Foundation gekauft. So hat eine Vier-Stunden-Arbeit eine schöne Karriere gemacht. Denn ich denke nicht nur in Zeichnungen sondern auch in Effektivität. Wie kannst du zum Beispiel mit Papierarbeiten ein ganzes Museum füllen? Das wäre so ein interessantes David-und-Goliath-Spiel. Du kannst, wenn du einen sehr cleveren Strich hast, alles haben. Ich zeichne oft bei Sitzungen oder Vorträgen, wo es um schwierige Dinge geht, ich mache Porträts der Leute, und dadurch kann ich mich später erinnern, was sie gesagt haben. Das ist eine Art, zu nehmen, zu haben, in Besitz zu nehmen. Wenn du unsicher bist und nicht weißt was los ist, zeichne alles, dann verstehst du alles viel besser. Meine Großgoschertheit kommt nur von dieser Überheblichkeit, dass es nichts gibt, was ich nicht irgendwie zeichnen könnte. Dadurch bekomme ich Oberwasser.
Du hast ja hier bei deinem LOD-Workshop ganz unterschiedliche Motivszenarien aufgesucht, ihr habt Film vom Bildschirm abgezeichnet, im Kino, ihr seid rausgegangen ins städtische Leben…
Wir sind zum Beispiel an die Ostsee gefahren nach Danzig und ich habe vorgeschlagen, dass wir während der ganzen Reise Zeichnungen machen und nicht nur am Ziel, sondern auch im Zug, am Wasser, im Hotel, in der Straßenbahn, um an möglichst vielen Orten unsere neu erworbenen Zauberlinien auszuprobieren. Ob die vielleicht auch dazu taugen, eine Brücke zu zeichnen oder eine schlafende Frau oder einen Sockel oder eine Zeigung. Und tatsächlich sind die Leute in zwei Wochen sehr wohl fähig, das zu erreichen. Das ist ermutigend. Die Passanten, die Leute in Danzig waren rührend. In der Strassenbahn hat eine junge Frau zu einer Studentin gesagt: Bitte zeichnen Sie mich auch. Die hat dann eine Zeichnung gemacht und sie ihr geschenkt. Wenn man so viel und schnell arbeiten kann dann, wird man auch großzügig. Es sprudelt raus und du gibst und gibst … Unser Thema heißt „Freie Malerei“. Wir haben sehr wenige Farben verschmiert aber dafür jedem, der frei malen will, einen besseren Zugang verschafft. Wenn du wirklich machen willst, was du willst, musst du einen Fixpunkt haben. Und was kann bei uns fix sein? Weder die Farben noch der Untergrund, noch die Ausstellungsräume. Das alles steht nicht fest. Aber deine Gedanken, deine Augen, deine Geschwindigkeit, deine Potenz – das hast du immer bei dir. Und daran muss man arbeiten in einer Ganzkörper-Arbeit, man muss ein Teil werden von diesem Holen, Nehmen, Machen. Ich bin ein Teil meiner eigenen Zeichen- und Malmaschine.