Interview time mit B.A. Lehmden
B.A. Lehmden im Gespräch mit Künstlern
und Teilnehmern von LOD 2004

Als neugieriger Zugvogel durchquere ich das mazurische Vogelparadies und pflücke auf der Durchreise schamlos die Impressionen derer, die mir gewogene Wortspenden überlassen wollen. Vielleicht lässt sich gerade dadurch ein kleiner Querschnitt, ein Einblick in das Getriebe des KulturAXE Kunstsymposiums gewinnen – in all seiner lebendigen Differenziertheit.

EVA BODNAR, Leiterin des Workshops „Freie Malerei“, bringt es auf den Punkt wenn sie sagt, dass sie während dieser drei Wochen durch ihre Teilnehmer lebt und sich durch deren Arbeit „spürt“. Ein wichtiger Schwerpunkt ist für sie das Zeichnen nach beweglichen Objekten und es erhebt sich unter anderem die Frage inwieweit Musik oder auch fremde „bewegte“ Bilder – wie Filmausschnitte – den eigenen Strich beeinflussen. Bei einer fünfstündigen Bahnfahrt ans Meer nach Danzig werden subtil „Basics“ vermittelt: es soll ein Punkt in der Landschaft fokussiert werden und festgestellt werden wie die „Linie“ verläuft und es findet sich, dass die Linie oftmals gegen die optische Wahrheit verläuft. Das Experiment, wie die Linien jeweils nach den verschiedenen Blickpunkten anders verlaufen, ist ein durchaus fesselndes. „Du kannst zwar beim Malen nicht immer sicher sagen in welcher Richtung der Zug also fährt, aber da das gesuchte „X“ du selber bist, ist es auch nur wichtig wo Du selber stehst.“ Wichtig für Eva Bodnar ist es, dass der Künstler versteht „was“ ist und es übersetzt, dabei soll es aber nicht ein Zuviel an Information geben, damit der Betrachter den Inhalt auch nachvollziehen kann. Wenn Eva sagt „malt, was malbar ist“, dann ist es nicht bloss dahingesagt, sondern bekommt durch ihre eigene Geschichte, durch ihren ersten Zugang zur Malerei ein besonderes Gewicht. Als sie etwa vier Jahre alt war und ihr Vater in Ungarn inhaftiert war, schrieben die Mutter und die ältere Schwester ihm Briefe ins Gefängnis und für die kleine Eva blieb am unteren Ende des Briefpapiers ein leerer Platz, um für ihn eine Zeichnung zu malen. Hypnotisiert von der Bedeutung der – für sie rätselhaften – Buchstaben darüber, stand sie nun vor der schwierigen Aufgabe dem Vater ihre Gefühle zu vermitteln, zugleich Konkretes auszusagen und ihm die Wichtigkeit ihrer Botschaft aufzuzeigen. Es war insofern ein Schlüsselerlebnis, da sie ja nicht wissen konnte ob ihre Mittel auch adäquat waren und erst als der Vater dann entlassen worden war, konnte sie sehen, dass es gut so gewesen war und auch bei ihm wirklich „angekommen“ war. Deswegen hat die funktionierende Beziehung zwischen Künstler und Betrach-ter sie nicht mehr losgelassen. Als Pädagogin ist es, laut Eva Bodnar, ihre Auf-gabe dem Schüler dessen eigene Kraft spüren zu lassen. Sie hört nicht auf vom Zeichnen und Sehen zu sprechen und wie man sich schlussendlich selber zu einer „Zeichenmaschine“ machen kann und ohne Zeitverlust erreicht, dass die Hand tut, was das Auge sieht.

„CROSS OVER“  mit seinem Leiter PAWEL MENDREK befasst sich im interdisziplinären Workshop „How far can you fly“ mit dem Portrait im erweiterten Sinne. Es gilt hier eine zweite oder gar eine dritte Bedeutung zu finden, gleich ob es sich nun um menschliche Portraits oder solche von Plätzen und Orten handeln mag, oder wie MALGORZATA SZANDALA’s Portraitversuche über eine Identitätsfindung als Installa-tion mit „Gefundenem“. Auch das Video „Solaris“ über das Land Mazurien, sein Licht und sein Wasser von EWA ZASADA und PAWEL MENDREK ist aus diesem Workshop hervorgegangen. Wenn EWA ZASADA darüber reflektiert, ob es nun die düster-dunklen, starken negativen Schwingungen der Festung Boyen sind oder die positiven Energien der bezaubernden Landschaft, die überwiegen oder ob es einfach der Reiz dieser beiden gegensätzlichen Pole ist, die Gyzicko ausmachen, dann spüren wir hier wieder den gesuchten Disput und die Konfrontation – alles, nur kein lauwarmes Mittelmaß.

BEATRIZ v. EIDLITZ, Leiterin des Workshops “ Experimentelles Papier und Drucktechnik“, hebt die „menschliche“ Komponente hervor, die sie hier antrifft und die mazurische Landschaft, die wie eine Malerei aus dem 19. Jahrhundert anmutet mit ihrem wunderschönem Licht. Ihre Studenten arbeiten viel und bringen gute und sehr gute Leistungen. Die „Kunst“ hier ist es, Pflicht und Arbeit mit dem Loslassen und der Leichtigkeit zu mixen. Der Austausch auf verschiedenen Erfahrungsebenen ist gerade hier gegeben – so wie damals dieser Prager Student der „Medien“, der gekommen war um sich an die „basics“ zu erinnern, um einmal wieder ohne „tools“ zu arbeiten. Zum Schluss hat er dann überhaupt gewechselt – noch traditionserdiger – in die „Aktklasse“.

JAN FEKETE, Leiter der „Akt-Klasse“, ist für jeden einzelnen Studenten da und jeder Student ist anders, auf jeden muss man sich immer wieder ganz individuell einstellen. Gleichzeitig ist es unabdingbar die Frage der Beurteilung auszublenden, denn es muss verhindert werden zuviel Einfluss auf den Studenten zu nehmen, sonst verliert er sich selbst.

FRIEDL HUBATSCHEK, langjährige und treue KulturAXE Kunstsymposiums-Teilneh-merin besucht den Kurs „Freie Malerei“ bei Eva Bodnar. Sie vermerkt, dass heuer im Vergleich zum Vorjahr eine noch stärkere Auseinandersetzung mit Kunst, aber auch mit sozialen Zugehörigkeiten stattgefunden hat.

NIKOLAUS HAMMER- POHLAU, ebenfalls langjähriger KulturAXE Teilnehmer und Ateliermaler, besucht auch den Kurs „Freie Malerei“ von Eva Bodnar. Er kann heuer auf einige neue Werke zurückblicken und ist zufrieden mit seiner Entwicklung. Wichtig ist hier für ihn auch immer wieder der Antrieb, der durch seine Workshop-Leiterin erfolgt.

CHRISTIAN CLAUSNITZER, besucht den intensiv betreuten Kurs „Fotografie-Experimentelle Techniken und Portraitfotografie“ bei Hannes Glaser. Der hier oft ungeplante und so spontane Arbeitsprozess, die spartanischen Räumlichkeiten, die schrille russische Strassenlaterne, sagt er „makes the difference“.

HANNES GLASER  ist Leiter des Workshops “ Fotografie – Experimentelle Techniken und Portraitfotografie“. Er setzt auf diesen intensiven Kontakt mit den Teilnehmern, denn desto besser verläuft danach der Arbeitsprozess. Er empfindet aber auch die Kommunikation an sich als einen ständigen Lernprozess.

EBERHARD FALCKE, Literaturjournalist, sieht in dieser so andersartigen Nutzung durch Künstler dieser merkwürdigen „Räumlichkeiten“ der Festung einen spannungsgeladenen Kontrast. Die interdisziplinäre Ausrichtung des KulturAXE Kunstsymposiums gefällt ihm hier und wie nebeneinander gearbeitet wird und man sich doch immer wieder zwischendurch verständigt. Er hebt das Grossartige an der Idee der KulturAXE hervor, das Symposium als „Ort der Verführung zur schöpferischen Kritik“ zu verstehen.

Stano Buban, Hasta La Muerte