Caroline Charlotte Kaiser, KulturAXE
Wien, Sep 05

OSTEUROPA

Erscheint im Buch: Die Enzyklopädie der wahren Werte. Die Wiederkehr des Gleichen in Architektur, Design, Lifestyle und Politik. Ein Passagenwerk.
Jan Tabor, Künstlerhaus Wien, 2005

Die bestimmende Landschaftsform in Osteuropa ist die riesige Osteuropäische Ebene, die sich u.a. bis zum Osteuropa von Asien abtrennenden Ural-Gebirge und Ural-Fluss erstreckt und im Norden an das eisige Nordpolarmeer stößt. (Wikipedia)
Östlich – den Osten betreffend: „die östlichen Völker Osteuropas und Asiens zeichnen sich durch eine eigenen Mentalität aus” (dt Wörterbuch)

Osteuropa ist Mythos, Fiktion, Realität, Hoffnungsträger, Expansionsmarkt und verkörpert im Allgemeinen Werte, die „wir im Westen” längst verloren haben. Ähnlich wie Ostafrika ist Osteuropa Himmelsrichtung und Georegion, allerdings hat die Grenze, an der Osteuropa beginnt, viele Namen. Früher, als es Osteuropa noch gab, hörte man z.B. „Hier endet die Grenze der Freiheit.”.

Heute ist der Begriff Osteuropa eigentlich nicht mehr korrekt, es verlangt als Präfix „ehemaliges” oder „ex”, es heißt auch öfters Mittelosteuropa oder MOEL (Mittel- und Osteuropäische Länder), Östliches Europa, Südosteuropa, Baltikum. So wird es einem nicht gerade leicht gemacht über Osteuropa zu sprechen und meistens gibt es nur eine vage Vorstellung, was genau gemeint ist.

Es ist aber zugleich hip und Thema zahlloser Konferenzen und Festivals. Nirgendwo sonst prallen Vergangenheit und Zukunft so schön aufeinander, die Gegenwart wird meist vergessen. Osteuropa ist gigantische Filmkulisse und Katalysator vieler bunter Begriffe wie kalter Krieg, Planwirtschaft, Kolchosen, Eiserner Vorhang, Berliner Mauer, Pan-Europa-Picknick, Glasnost, Perestroika, samtene Revolution. Osteuropa ist der missing link und lässt niemanden kalt, ein Klischee in praller Bildsprache, in warmen Tönen. Hier gibt es noch Romantik, Herzlichkeit, Ursprünglichkeit, Tomaten, die schmecken wie sie sollen, billige Zigaretten, Wodka, Musik und Tanz. Auch droht Gefahr aus Osteuropa, es ist oftmals korrupt und nährt die organisierte Kriminalität.

Aufgeklärte oder intellektuelle Kreise glauben nicht an diese Stereotype. Hier wird der östlichen Kunst- und Kulturszene geraten, Englisch zu lernen, sich zu vernetzen, mobil zu sein, die eigene Identität zu bewahren, Marketingstrategien anzuwenden und professionell aufzutreten. Es würde dann alles gut werden im Neuen Europa, eine neue Landkarte der heterogenen kulturellen Identitäten, gleichberechtigt und sich gegenseitig inspirierend, würde entstehen. Und wie gesagt, Osteuropa gibt es so nicht mehr, in Belgrad lief 2003 „The last East European Show”, im Museum zeitgenössischer Kunst. Somit beginnt der schwierigste Teil, der Prozess des Umdenkens, der Wert „Osteuropa” muss komplett neu konstruiert, erdacht und erfühlt werden. Vielleicht helfen die folgenden Literaturhinweise ein wenig. Viel Glück!

Lit/Web: Marina Grzinic,  Fiction Reconstructed, Eastern Europe, Post-Socialism & The Retro-Avantgarde, Edition Selene, 2000; IRWIN,  East Art Map, www.eastartmap.org;  The Art of Eastern Europe, 2000+ Arteast collection, Folio Verlag, http://www.2000p.org/eng/index0.htm;  Mind the Map! – History Is Not Given, 2005, http://www.projekt-relations.de/de/explore/eam_uni/index.php

 

Stano Buban, Hasta La Muerte